Auswahlkriterien für den Kauf einer analogen Kamera

Der Kauf einer analogen Mittelformatkamera ist auch in Zeiten digitaler Dominanz noch eine kostspielige Angelegenheit. Zwar sind die Preise mit der digitalen Wende gefallen, aber nach wie vor hat die analoge Technik ihren Reiz und ihre Liebhaber. Man muss daher in der Kamerahistorie weit zurückgehen, um ein Modell zu finden, das bezahlbar ist.

Neben dem Preis gibt es noch andere Kriterien, auf die man bei der Wahl einer analogen Kamera achten sollte; nachfolgend möchte ich diejenigen vorstellen, die aus meiner Sicht von Bedeutung sind.

Der Traum …

Meine analoge Wunschkamera könnte man in aller Kürze so beschreiben:

  • Es handelt sich um eine Mittelformatkamera; mit ihr lassen sich großformatige Abzüge oder Ausdrucke realisieren, und man kommt (formattypisch) in den Genuss eines erweiterten Tonwertumfangs.
  • Für sie liegt eine reichhaltige Auswahl hochwertiger Objektive vor.
  • Die Kamera unterstützt Wechselmagazine oder zumindest austauschbare Rückwände, um bei Bedarf den Film wechseln zu können.
  • Im Fall der Fälle kann die Kamera leicht repariert und gewartet werden.
  • Sie ist kompakt und doch gut handhabbar. Was nützt eine Kamera, die wegen ihres Gewichts und ihrer Sperrigkeit zu Hause bleibt?
  • So die Kamera nicht ohne Strom funktioniert, kann sie mit Standardbatterien, jedenfalls mit solchen Batterien betrieben werden, die es noch zu kaufen gibt oder für die ein adäquater und günstiger Ersatz erhältlich ist.
  • Falls es sich um eine einäugige Spiegelreflexkamera handelt, kann der Spiegel vorausgelöst werden.
  • Im Dauerbetrieb erweist sich die Kamera als besonders haltbar und zuverlässig.
  • Sie ist weit günstiger, als die Toppmodelle im Bereich des digitalen Kleinbildformats, oder anders ausgedrückt: Ich kann sie mir leisten.
  • Die Kamera ist auf dem Gebrauchtmarkt ausreichend verfügbar.
  • Nicht zuletzt sollte die Kamera konzeptionell gelungen und optisch ansprechend gestaltet sein, womit ich sagen will, dass sie mir schlicht und ergreifend gefallen muss. Ich finde, dass dieses Kriterium im künstlerischen Bereich dazugehört. Die Koni-Omegas beispielsweise, obgleich technisch gelungene Kameras mit herausragenden Objektiven, sind – was das Äußere anbelangt – doch sehr gewöhnungsbedürftig.

… und die Wirklichkeit

Es ist klar, dass es eine Kamera, die alle diese Kriterien erfüllt, nicht gibt, auch wenn manche Modelle dem Ideal recht nahekommen. Die folgenden Überlegungen sollen helfen, den Entscheidungsspielraum zu vergrößern:

Am besten streichen wir aus dem Gedächtnis die Kameras der Marken Leica, Hasselblad und (mit Abstrichen) der Marke Rollei. Ausweichen sollte man zudem denjenigen Modellen, die als Sammlerobjekte gelten. Manche Modelle sind umgeben von einem dermaßen übertriebenen Kult, dass selbst jahrzehntealte Exemplare für den kleinen Geldbeutel nahezu unerschwinglich sind.

Neben den obigen, betörenden Namen in der Kamerawelt, die für unschlagbare Qualität stehen, gibt es eine Menge anderer Hersteller, die ebenfalls hervorragende Arbeitsgeräte und Objektive hergestellt haben. Immer wieder zeigen Vergleichstests, dass die Unterschiede zwischen den sehr teuren und den vergleichsweise günstigen Objektiven recht bescheiden ausfallen. Man sollte sich immer fragen, was in der fotografischen Praxis relevant ist.

Gemäß einer Statistik, die im The Amateur Photographer’s Handbook von Sussmann (Ausgabe 1973, Seite 115) angegeben ist, sind nahezu 80 Prozent der preisgekrönten Fotografien mit dem Normalobjektiv aufgenommen worden. Dies mag sich seit den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts geändert haben, aber falls man persönlich für den Anfang auf auswechselbare Objektive verzichten kann, ist man in guter Gesellschaft und vermag die Ausgaben drastisch zu senken, zumal das Normalobjektiv ohnehin das günstigste (und dazu noch eines der lichtstärksten) Objektive ist.

Ähnliche Überlegungen gelten für die Lichtstärke. Fast 90 Prozent der Fotografien der obigen Statistik wurden mit einer Öffnung von 3.5 oder größer aufgenommen, das heißt, man muss nicht auf das letzte Quäntchen Licht Rücksicht nehmen, sondern mag sich mit einer Lichtstärke von 2.8 oder auch weniger zufrieden geben. Ein lichtstärkeres Objektiv eröffnet einem in manchen Situationen neue Gestaltungsmöglichkeiten, aber man darf nie den Preis vergessen, den man für diesen Komfort zu bezahlen hat. Ein leichtes Stativ vermag bisweilen die fehlende Öffnung zu kompensieren. Wie man so treffend sagt: „Mein Stativ ist meine schärfste Linse.“

Es gab Zeiten, da war es schick, die Qualität eines Produktes durch überschwänglichen Materialeinsatz zu betonen. Man nehme hierzu einmal die Yashica Lynx 14(E) in die Hand, die für das Kleinbildformat so massiv geraten ist, dass man im ersten Augenblick annimmt, man sei geschrumpft. Viele der Kameras aus dem letzten Jahrhundert haben daher einen ziemlich langen Atem und sind heute noch voll funktionsfähig.

Grundsätzlich empfehle ich bei der Kalkulation der Gesamtkosten eine Wartung oder Reparatur zu berücksichtigen. Die Summe aus dem Preis für eine reparaturbedürftige Kamera und den anfallenden Reparaturkosten ist bisweilen kleiner als der Betrag, der für ein gut erhaltenes Exemplar anfällt.

Bei vielen Angeboten funktioniert der Belichtungsmesser nicht mehr oder genügt heutigen Ansprüchen nur noch bedingt. Das sollte kein Hindernis sein, ein solches Exemplar zu kaufen, denn über kurz oder lang ist es (zumindest nach meinem Dafürhalten) angebracht, sich einen Handbelichtungsmesser zuzulegen, der ohnehin vielfältiger einsetzbar ist, einen größeren Messbereich hat und gegenüber antiquarischer Technik oft wesentlich genauer funktioniert. Im Vergleich zu integrierten Belichtungsmessern versteht sich ein Handbelichtungsmesser zusätzlich auf die Lichtmessung. Als Brillenträger fand ich es zudem immer sehr angenehm, für den Akt des Messens nicht durch die Kamera starren zu müssen.

Fazit

Nimmt man sich die obigen Ratschläge zu Herzen, sind die Chancen gut, auf dem Gebrauchtmarkt eine erschwingliche Kamera zu finden, die einem lange Freude bereitet und den ihr zugedachten Zweck, nämlich technisch gute Bilder zu machen, erfüllt.

Mehr unter: Kauf einer gebrauchten analogen Kamera.